Der einsame Sturz des Helden: Wie der Ruhm den Tarzan und Old Shatterhand Lex Barker zerbrach

Er war 1,93 Meter groß, athletisch und trug ein Lächeln zur Schau, das die perfekte Maske für ein Leben voller innerer Qualen war. Für die Welt war er die Verkörperung männlicher Stärke und Tugend: Zuerst als Tarzan, der edle Herrscher des Dschungels, dann als Old Shatterhand, der furchtlose, moralisch unbesiegbare Grenzmann. Doch hinter der goldenen Fassade von Lex Barker verbarg sich eine zerrissene Seele, die unaufhaltsam dem Abgrund zusteuerte. Seine Geschichte ist eine melancholische Chronik von Triumph, Exil und dem tragischen, einsamen Ende eines Mannes, der Hollywood eroberte, nur um am Ende von seinem eigenen Ruhm in die Knie gezwungen zu werden.

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Vom Privileg zur bitteren Entfremdung

Alexander Crichlow Barker Jr. wurde am 8. Mai 1919 in Ry, New York, in eine Welt des überbordenden Wohlstands hineingeboren. Die Barkers verkörperten die amerikanische Elite, umgeben von Chauffeuren, Dienern und der unausgesprochenen Erwartung, dass der junge Lex einen geradlinigen Weg einschlagen würde – Princeton, eine gesicherte Zukunft in der Finanzwelt und die Einhaltung der gesellschaftlichen Normen. Sein Vater, Alexander Cricklow Barker Senior, war ein erfolgreicher Bauunternehmer und Börsenmakler; seine Mutter Marion entstammte einer angesehenen amerikanischen Familie. Lex und seine ältere Schwester Frederica wuchsen in einer Umgebung auf, die ihnen die Gewissheit des Privilegs vermittelte. Sie besuchten Eliteinternate wie die Fessenden School und die Philips Exeter Academy, wo Lex Football spielte und das typisch amerikanische Ideal verkörperte, das seine Eltern so sehr liebten.

Doch dieses Ideal brachte Erwartungen mit sich: Ein Abschluss in Princeton, eine sichere Karriere im Rahmen der gesellschaftlichen Normen. Lex aber wollte etwas anderes. Die Bühne hatte seine Vorstellungskraft längst ergriffen. Ende der 1930er-Jahre traf er eine Entscheidung, die seine Eltern, insbesondere seinen wohlhabenden Vater, zutiefst erzürnte: Er verließ Princeton vorzeitig, um sich einer wandernden Theatertruppe anzuschließen. Der Akt war eine bewusste Rebellion, eine Erklärung der Unabhängigkeit, die sofort ihren Preis forderte. Sein Vater enterbte ihn und strich ihm die finanzielle Unterstützung. Zum ersten Mal fand sich der privilegierte Junge aus Ry allein und mittellos wieder. Er arbeitete in einem Stahlwerk und studierte nachts Ingenieurwesen, nur um zu überleben. Doch die Anziehungskraft des Theaters, seine wahre Bestimmung, ließ nicht nach. Bereits mit 19 Jahren erhielt er eine kleine Rolle in Shakespeares „The Wives of Windsor“ am Broadway, ein erster Beweis, dass er seinen Weg gefunden hatte. Ein Jahr später besetzte ihn Orson Welles in der problemgeplagten Produktion „Five Kings“. Für Barker bedeutete diese Erfahrung alles, und sie festigte seinen Entschluss, Schauspieler zu werden, koste es, was es wolle.

Kriegsnarben und der Fluch des Lendenschurzes

Der Zweite Weltkrieg unterbrach Barkers aufkeimende Karriere abrupt. 1941, zehn Monate vor dem Angriff auf Pearl Harbor, meldete er sich zur US-Armee. Was folgte, war eine Zeit, die ihn für immer prägen sollte. Er tauschte Drehbücher gegen Gewehre, diente tapfer, stieg bis zum Major auf und kämpfte in der blutigen Sizilienkampagne. Dort wurde er schwer verwundet, sowohl am Kopf als auch am Bein. Die zweimalige Verleihung des Purple Heart bezeugte seine Tapferkeit und seinen unerschütterlichen Pflichtsinn. Doch er kehrte nicht nur als Held zurück; er kam als gezeichneter Mann. Die körperlichen Narben, chronische Schmerzen und eine unsichtbare, unausgesprochene Schwere begleiteten ihn ein Leben lang, ein dunkler Schleier, der den späteren Leinwandhelden nie ganz verlassen sollte. Der Krieg gab ihm aber auch etwas, das ihm sein privilegierter Hintergrund verwehrt hatte: Disziplin, Demut und Zielstrebigkeit.

Nach seiner Entlassung zog Barker 1945 nach Los Angeles. Sein Geist war ruhelos, sein Gesicht wirkte schmaler, sein Blick nachdenklicher. Er hangelte sich durch kleine Auftritte in Filmen wie „Dollface“ und „Cloak and Dagger“, doch auf jede Rolle kamen dutzende Absagen. Er war gut aussehend, vielleicht zu gut, und die Casting-Direktoren wussten nicht, was sie mit ihm anfangen sollten.

Die Erlösung – und gleichzeitig die Falle – kam 1949: Lex Barker wurde Tarzan. Nachdem Johnny Weissmüller 16 Jahre lang durch den Dschungel geschwungen war, suchte das Studio jemanden Jüngeren, Größeren und Frischeren. Barker passte perfekt ins Bild: 1,93 Meter groß, athletisch blond mit einer Stimme, die zugleich kraftvoll und ruhig war. „Tarzan’s Magic Fountain“ feierte 1949 Premiere und machte ihn zum zehnten offiziellen Tarzan der Filmgeschichte. In den folgenden vier Jahren verkörperte Barker Hollywoods körperlichste Rolle. Er war alles, was das Publikum wollte: Edel, stark, furchtlos. Frauen nannten ihn „Sexy Lexi“, und Tausende von Fanbriefen erreichten ihn.

Doch hinter dem Glamour erstickte Barker. Der Lendenschurz, die Rollenklischees, die endlose Forderung nach Action statt Emotion – all das fesselte ihn. Der Schauspieler, der einst am Broadway Shakespeare gespielt hatte, sagte später frustriert: „Es ist wunderbar, wieder Kleidung tragen zu können. Ich mag es, wie ein zivilisierter Mensch zu sprechen.“ Als er versuchte, weiterzugehen und anspruchsvollere Rollen zu finden, folgte Hollywood ihm nicht. Für die Casting-Direktoren blieb er nur „Tarzan“ – ein Fluch des Images. Seine späteren Rollen, etwa in „Thunder Over the Plan“ oder „Away All Boats“, reichten nie an seinen Dschungel-Ruhm heran. Das Geld versiegte, die Drehbücher wurden schlechter. Zwischen 1942 und 1957 heiratete und ließ er sich dreimal scheiden. Seine dritte Ehe mit der gefeierten Schauspielerin Lana Turner war geprägt von Eifersucht, Skandal und einer tiefen emotionalen Tragödie, die ihn für immer verfolgen sollte. Mitte der 1950er-Jahre, ernüchtert von einem Hollywood, das nur Muskeln, aber keine Tiefe von ihm verlangte, traf er die drastische Entscheidung: Er packte 1957 seine Koffer und floh nach Europa, auf der Suche nach einer zweiten Chance.

Lex Barker

Die Wiedergeburt und der „Mann aus Marmor“ in Europa

Mit 38 Jahren kam Lex Barker in Europa an. Er war noch immer auffallend gut aussehend, aber gezeichnet von den Spuren der Zurückweisung. In Hollywood verkaufte sein Name keine Eintrittskarten mehr, das Tarzan-Image war verblasst. Europa jedoch war anders. Das Nachkriegskino schätzte dort das Handwerk mehr als den Ruhm, und Barker, der fließend Französisch, Italienisch, Spanisch und etwas Deutsch sprach, sah Chancen, wo andere nur Exil sahen.

Sein europäisches Debüt gab er im britischen Thriller „The Strange Awakening“, doch sein entscheidender Auftritt war in Federico Fellinis Meisterwerk „La Dolce Vita“. Er spielte nur eine kleine Rolle – den betrunkenen, eifersüchtigen Verlobten von Anita Eckberg – doch sie veränderte alles. Fellini erkannte die dunkle Tiefe hinter Barkers strahlender Erscheinung. Er beschrieb ihn als „einen Mann aus Marmor, der Trauer in den Augen trägt.“ Dieser eine Satz fasste den zentralen Widerspruch von Barkers Leben zusammen: Der perfekt geformte Körper, der eine tiefe, innere Erschöpfung verbarg. Nach Fellini entdeckte die europäische Presse Barker neu; er war nicht länger nur Tarzan, er war ein wiedergeborener Schauspieler.

Sein privater Anker in dieser Zeit war die Schweizer Schauspielerin Irene Labhardt. Sie heirateten und lebten meist bescheiden in Rom, fernab der verschlingenden Scheinwerfer Hollywoods. Irene ermutigte ihn, Rollen zu wählen, die ihn emotional forderten.

Der Goldene Käfig des Old Shatterhand

Die wahre Wende sollte aus Deutschland kommen. 1961 trat der deutsche Produzent Arthur Brauner an Barker heran und bot ihm die Rolle des Old Shatterhand in der Verfilmung von Karl Mays „Der Schatz im Silbersee“ an. Barker zögerte. Ein deutscher Western? Er hielt es für eine absurde Idee, doch Irene bestand darauf, dass er es sich noch einmal überlegte. Als der Film 1962 Premiere feierte, wurde er zu einem Phänomen. Über Nacht strömten 17 Millionen Deutsche in die Kinos und jubelten dem blonden, breitschultrigen Amerikaner zu, der wie geschaffen schien, den rechtschaffenen Helden zu spielen.

Lex Barker wurde Deutschlands beliebtester ausländischer Schauspieler. In einem Nachkriegsdeutschland, das nach Reinheit, Ehre und einem unbesiegten Heldentum suchte, verkörperte Barker all dies als Old Shatterhand, den furchtlosen Grenzjäger und Blutsbruder des edlen Apachenhäuptlings Winnetou (gespielt von Pierre Brice). Zwischen 1962 und 1968 spielte er Shatterhand siebenmal an der Seite von Brice in einer Partnerschaft, die das goldene Zeitalter des deutschen Abenteuerkinos prägte. Die beiden Männer wurden zu Symbolen für Freundschaft und Ehre. Die Popularität der Filme erreichte hysterische Ausmaße. Plattenfirmen baten ihn zu singen. 1966 erhielt er den renommierten Bambi-Preis als bester ausländischer Schauspieler.

Er hatte den Ruhm wiedergefunden, doch das Image brachte neue Fesseln mit sich. So wie Tarzan ihn einst definiert hatte, sperrte ihn Old Shatterhand nun in eine neue Schublade. Der makellose Held in Lederjacke dominierte alles. Produzenten boten ihm nur dieselben Rollen an: edle Gesetzeshüter, mutige Entdecker, unbestechliche Patrioten. Bakers Wunsch, dunklere oder komplexere Figuren zu spielen, wurde ignoriert. „Der Held wurde zu meinem Fluch“, vertraute er einmal einem Freund an. Er wollte „Männer spielen, die scheitern, nicht Männer, die nie bluten.“ Die ständige Verstellung zerriss ihn innerlich.

Als der Karl-May-Boom nach 1968 abklang, taten es auch die Angebote. Der letzte Film, „Winnetou und Shatterhand im Tal des Todes“, fiel bei den Kritikern durch, die ihn als Relikt einfacher Träume bezeichneten. Barker nahm es persönlich. Mit seinen Fünfzigern stand er erneut vor jener Leere, der er einst aus Hollywood entflohen war. Zusätzlich traf ihn ein tiefer persönlicher Verlust, als seine Frau Irene Labhardt tragisch an Leukämie starb und ihn allein mit ihrem kleinen Sohn Christopher zurückließ. Hinter der Fassade des europäischen Superstars verbarg sich nun ein müder, zutiefst einsamer Mann, der einer letzten Chance nachjagte.

Ženy, pití, Tarzan a Old Shatterhand. Lex Barker by slavil 100 let -  iDNES.cz

Der Abstieg in die Dunkelheit und das einsame Ende

Die frühen 70er-Jahre markierten den endgültigen Niedergang. Barker versuchte sich anzupassen, nahm Rollen in billigen Abenteuerfilmen an und trat in Episodenfilmen wie „Woman Times 7“ auf. Doch die Rollen fühlten sich leer und mechanisch an, eine Wiederholung dessen, was er bereits getan hatte. Hollywood hingegen war längst zu neuen Idolen übergegangen. Lex Barker, einst das Sinnbild männlicher Perfektion, war zu einem Nachgedanken geworden.

Sein Privatleben spiegelte diesen Niedergang wider. Nach dem Tod von Irene Labhardt heiratete er erneut: die glamuröse spanische Schönheitskönigin Tita Cervera. Was als leidenschaftliche Verbindung begann, zerbrach bald an Eifersucht, finanziellen Belastungen und endlosen öffentlichen Streitigkeiten. 1972 waren sie faktisch geschieden. Barker, erschöpft von Jahren der Unruhe, begann stark zu trinken. Freunde bemerkten, dass er abmagerte und leicht reizbar wurde.

Körperlich ging es mit ihm bergab. Alte Kriegsverletzungen schmerzten ständig, und Brustschmerzen traten immer häufiger auf. Um damit umzugehen, trieb er sich selbst immer weiter an: lange Tennisspiele am Tag, Partys in der Nacht, Whisky, um den Schmerz zu betäuben. Er gestand einem Freund: „Wenn ich aufhöre, mich zu bewegen, verschwinde ich.“ Es war das Eingeständnis eines Mannes mit panischer Angst davor, vergessen zu werden. Seine letzte Filmrolle in „Aum“ – die eines alternden Schauspielers, der über seine Vergangenheit reflektiert – wurde von Kritikern als erschütternd autobiografisch empfunden. „Es war das erste Mal, dass er wirklich sich selbst spielte“, sagte ein spanischer Kritiker.

Am Morgen des 11. Mai 1973, drei Tage nach seinem 54. Geburtstag, erwachte Lex Barker in seiner New Yorker Wohnung. Freunde sagten, er habe entspannt gewirkt, sogar hoffnungsvoll in Bezug auf eine mögliche Rückkehr ins amerikanische Fernsehen. Er zog einen Anzug an, verließ sein Gebäude und ging die Lexington Avenue entlang. Kurz vor Mittag sahen Zeugen, wie er auf dem Bürgersteig inne hielt, sich an die Brust fasste und zusammenbrach. Wenige Sekunden später war der Mann, der einst als Tarzan und Old Shatterhand gefeiert wurde, tot an einem Herzinfarkt.

Als die Sanitäter eintrafen, fanden sie weder Geldbörse noch Ausweis. Für sie war er nur ein weiterer unbekannter Mann. Erst eine schlichte Gravur auf der Rückseite seiner Armbanduhr – Alexander S. Barker, Beverly Hills – verriet, wen sie da vor sich hatten.

Die Nachricht schaffte es in Europa auf die Titelseiten: „Old Shatterhand mit 54 Tod.“ In Amerika hingegen nahm kaum jemand Notiz. Hollywood hatte seinen Helden längst vergessen. Barkers Beerdigung in New York war still und unbeachtet. Bald kursierten Gerüchte über Alkoholismus und Herzversagen, doch die traurige Wahrheit war einfacher: Es schien fast erblich zu sein, denn auch sein Vater war im selben Alter an einem Herzinfarkt gestorben – ein grausames familiäres Echo.

In Deutschland trauerten die Fans mit einer Hingabe, die sonst nur Monarchen zu Teil wird. Pierre Brice, sein Freund und Filmpartner, nannte ihn einen Bruder, „einen Mann, der Größe mit Sanftmut trug.“ Selbst Jahrzehnte später zeigte das deutsche Fernsehen die Karl-May-Filme immer wieder. Ihr Vermächtnis blieb emotional: Lex Barker steht für eine Ära, in der Filmhelden noch von reiner, stiller Würde waren. Doch sein Leben war voller Widersprüche: Im Ausland geliebt, in der Heimat vergessen; stark auf der Leinwand, zerbrechlich im Innern. Fünfzig Jahre später hallt seine Geschichte noch immer nach wie ein melancholisches Echo – eine Erinnerung daran, dass Ruhm vergänglich ist und selbst die mächtigsten Leinwandgestalten leise auf einem Bürgersteig verschwinden können: unerkannt, ungefeiert und allein. Der Mann, der alles hatte, fand nie Frieden, bis er ihn im Schatten der New Yorker Skyline fand.