Es sind Nachrichten, die jedem Fan der volkstümlichen Musik einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Die Kastelruther Spatzen, seit Jahrzehnten die unangefochtenen Könige der Volksmusik, stehen vor einer ihrer größten emotionalen Bewährungsproben. Norbert Rier (65), die unverkennbare Stimme, das Herz und die Seele der Band, musste sich einer ernsten Herzoperation unterziehen. Mitten in den Vorbereitungen zur besinnlichsten Zeit des Jahres, der großen Weihnachtstournee, schlug das Schicksal zu. Doch in der Dunkelheit der Sorge leuchtet ein Licht der Hoffnung, das beweist: Bei den Riers und den Spatzen zählt vor allem eines – die Familie.

Der Schock: Not-OP statt Rampenlicht
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, heißt es in einem alten Sprichwort, das sich in diesen Tagen in den Südtiroler Bergen auf berührende Weise bewahrheitet. Doch bevor wir zu dem Lichtblick kommen, müssen wir auf die dunklen Stunden blicken, die hinter der Band liegen. Im Oktober, einer Zeit, in der sich die Musiker normalerweise mental auf den Tournee-Stress und die Freude der Weihnachtskonzerte vorbereiten, wurde es still um Norbert Rier.
Die Diagnose war ernst, der Eingriff unvermeidlich. An der Universitätsklinik Innsbruck musste sich der 65-jährige Sänger einer Herzoperation unterziehen. Für Rier ist es nicht der erste Kampf um seine Gesundheit. Bereits vor acht Jahren bangten Familie und Fans, als ihm eine künstliche Herzklappe eingesetzt werden musste. Dass das Herz, dieses zentrale Organ, das bei Norbert Rier so sehr für die Musik und seine Heimat schlägt, erneut Unterstützung brauchte, versetzte die Fangemeinde in einen Schockzustand.
Die geplante Weihnachtstournee, für viele Anhänger ein fester Bestandteil des Jahresausklangs, drohte komplett ins Wasser zu fallen. Konzertveranstalter wurden nervös, Tickets waren verkauft, die Hallen gebucht. Die Frage stand im Raum: Können die Spatzen ohne ihren Anführer fliegen?
Blut ist dicker als Wasser: Der Sohn übernimmt das Ruder
In dieser Stunde der Not zeigte sich, was den wahren Kern der Kastelruther Spatzen ausmacht: Zusammenhalt. Die Lösung lag näher, als viele dachten – und sie ist emotionaler, als man es sich hätte ausmalen können. Alexander Rier (40), der Sohn des legendären Frontmanns, springt für seinen Vater in die Bresche.
Es ist eine Entscheidung, die nicht nur logistisch Sinn macht, sondern auch die Herzen der Fans im Sturm erobert. „Eingewöhnungsprobleme mit dem Junior gab es nicht“, verrät Albin Groß, der mit seinen 70 Jahren als der Senior der Band gilt und als Keyboarder und Akkordeonspieler seit Ewigkeiten an Norberts Seite steht.
Die Selbstverständlichkeit, mit der Alexander die Rolle übernimmt, ist fast unheimlich. „Alexander hat die Lieder schon als Kind gehört und kennt sie in- und auswendig“, erzählt Groß. Es ist, als hätte das Schicksal ihn genau auf diesen Moment vorbereitet. In den vergangenen Jahren hat sich Alexander bereits selbst als Schlagersänger einen Namen gemacht und sich bestens entwickelt. Doch nun tritt er nicht als Solokünstler auf, sondern als der verlängerte Arm seines Vaters.

Gänsehaut-Moment: Die Ähnlichkeit ist verblüffend
Für die Fans, die die Spatzen seit Jahrzehnten begleiten, dürfte der Anblick auf der Bühne für feuchte Augen sorgen. Es ist nicht nur die Stimme, die vertraut wirkt, es ist die gesamte Aura. „Er hat die gleiche Mimik wie sein Vater“, bestätigt Albin Groß. „Wer die Spatzen seit langem kennt, denke wohl vermutlich, die Zeit wäre stehengeblieben.“
Alexander drückt den Altersdurchschnitt der Band deutlich nach unten, bringt frischen Wind, und doch bewahrt er die Tradition. Es ist dieser Spagat zwischen Verjüngung und Nostalgie, der diese „Notlösung“ zu einem Glücksfall macht. Die Fans honorieren diesen familiären Einsatz. Dass der Sohn für den kranken Vater einspringt, wird als Zeichen tiefster Verbundenheit gewertet – ein Wert, der in der Volksmusikszene ganz oben steht.
Die Tournee: Kleiner, aber emotionaler
Dennoch blieb die Situation nicht ohne Konsequenzen. Man befand sich in einer absoluten Ausnahmesituation, räumt Groß ein. Die Band stand vor der Wahl: Absagen oder Weitermachen? Man fragte die Veranstalter: Können wir mit einem Ersatzsänger auf Tournee gehen?
Die Reaktionen waren gemischt. Einige Veranstalter zögerten, wollten lieber auf das nächste Jahr verschieben, wenn der „echte“ Norbert wieder fit ist. Andere sahen die Chance in dem besonderen Moment. Das Resultat: Statt der ursprünglich geplanten 26 Weihnachtskonzerte finden nun acht ausgewählte Auftritte statt. Der Auftakt in Grimma markierte den Beginn einer Reise, die sicherlich als eine der emotionalsten in die Geschichte der Band eingehen wird. Ab Donnerstag rollt der Tourbus quer durch Deutschland.
Ein Lebenszeichen aus dem Krankenbett
Doch was ist mit Norbert selbst? Während sein Sohn auf der Bühne steht, kämpft der Vater sich zurück ins Leben. Und es gibt gute Nachrichten, die alle aufatmen lassen. Mittlerweile hat sich der Sänger aus dem Krankenbett gemeldet. Seine Botschaft ist typisch für ihn – bescheiden und kämpferisch: „Ich darf sagen, es geht mir den Umständen entsprechend wirklich gut“, ließ der 65-Jährige ausrichten.
Diese Worte sind Balsam für die Seelen der Fans. Sie wissen: Norbert ist ein Kämpfer. Er ruht sich nicht aus, um aufzugeben, sondern um zurückzukommen.

Gedanken an die Endlichkeit: Wie lange noch?
Die aktuelle Situation wirft jedoch auch Schatten und Fragen auf, die man in Zeiten des Erfolgs gerne verdrängt. Wie lange werden die Spatzen noch auf der Bühne stehen? Die Band wurde vor 50 Jahren gegründet, ein halbes Jahrhundert Musikgeschichte. Im kommenden Jahr feiert man das 40. Spatzenfest, ein Kult-Spektakel im heimatlichen Kastelruth.
Doch das Alter geht auch an den Idolen nicht spurlos vorbei. Im kommenden Jahr werden zwei weitere Mitglieder der Band 70 Jahre alt. Albin Groß findet dazu nachdenkliche, fast philosophische Worte. Wenn die Leute in die Konzerte kommen und Applaus spenden, sei das „wie eine halbe Droge“. Es ist dieses Elixier, das sie antreibt, das die Strapazen der langen Reisen und die Zeit fern der Heimat erträglich macht. „Man kann uns so schnell nicht umhauen“, sagt er kämpferisch.
Aber die Demut wächst. Ereignisse wie die Herz-OP von Norbert Rier führen den Musikern vor Augen, dass nichts ewig währt. „Natürlich gerät dann irgendwann auch das Ende der Karriere in den Blick“, gibt Groß offen zu. Es ist ein Satz, der wehtut, aber auch die Kostbarkeit jedes einzelnen Auftritts unterstreicht.
Ein Fazit voller Hoffnung
Diese Weihnachtstournee ist mehr als nur eine Reihe von Konzerten. Sie ist ein Beweis für den Zusammenhalt einer Familie und einer Band, die seit Jahrzehnten wie Pech und Schwefel zusammenhält. Alexander Rier vertritt seinen Vater nicht nur – er ehrt ihn mit jedem Ton, den er singt. Und Norbert Rier kann sich in der Gewissheit erholen, dass sein Lebenswerk in den besten Händen liegt: in denen seines eigenen Blutes.
Die Kastelruther Spatzen sind vielleicht verwundet, aber sie fliegen weiter. Und vielleicht, nur vielleicht, macht genau diese Verletzlichkeit die diesjährigen Konzerte zu den schönsten, die es je gab. Wir wünschen Norbert Rier eine schnelle und vollständige Genesung!
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