Der Schlagabtausch zwischen dem Komiker Oliver Pocher und der Influencerin Anne Wünsche, eine der öffentlichsten und juristisch verfahrensten Auseinandersetzungen der deutschen Social-Media-Geschichte, hat ein überraschendes und zugleich tiefgreifendes Ende gefunden. Was als satirische Kritik im Format „Bildschirmkontrolle“ begann, mündete in einem Strafprozess vor dem Kölner Amtsgericht – ein Schauplatz, der die scharfen Grenzen zwischen Meinungsfreiheit, Satire und Persönlichkeitsrecht in der digitalen Ära neu definierte. Die finale Wende: Oliver Pocher stimmte der vorläufigen Einstellung des Verfahrens wegen übler Nachrede zu, im Austausch für eine Zahlung von 15.000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen.
Dieser Deal, der in einem sogenannten Rechtsgespräch zwischen Pochers Verteidigung, der Staatsanwaltschaft und der Richterin ausgehandelt wurde, setzt einen Schlussstrich unter einen Fall, der sich über fünf Jahre hinzog und die Gemüter erhitzte. Es ist mehr als nur die Beilegung einer persönlichen Fehde; es ist ein Lehrstück darüber, dass die scheinbar harmlosen Behauptungen auf Social Media massive juristische Konsequenzen nach sich ziehen können, selbst für einen erfahrenen Medienprofi wie Pocher.
Die Anschuldigung, die den Stein ins Rollen brachte

Der Kern der juristischen Auseinandersetzung lag in zwei Videos aus dem Jahr 2020. In seinem damals sehr populären Online-Format „Bildschirmkontrolle“ hatte Oliver Pocher die Influencer-Szene, insbesondere in Bezug auf die Authentizität ihrer Interaktionen und Reichweiten, kritisch ins Visier genommen. Im Fokus stand unter anderem Anne Wünsche. Pocher hatte öffentlich behauptet, die Influencerin habe positive Beiträge, Kommentare und Likes für ihr eigenes Social-Media-Treiben regelrecht „gekauft“ – darunter die brisante Behauptung über 96.000 „Herz-Emojis“.
Pocher, bekannt für seinen direkten und oft polarisierenden Stil, hatte sich dabei, wie sich später herausstellte, auf die Angaben eines einzigen, unbestätigten Informanten verlassen. Eine Nachrecherche, die juristische Standards erfüllt hätte, blieb aus. Genau dieser Umstand wurde zum juristischen Stolperstein. Anne Wünsche wehrte sich vehement gegen die Anschuldigungen, sah ihren Ruf und ihre wirtschaftliche Existenz als Influencerin – die maßgeblich auf Vertrauen und Authentizität basiert – massiv beschädigt. Sie ging den juristischen Weg.
Zunächst war in dem Fall ein Strafbefehl erlassen worden, der Oliver Pocher zur Zahlung einer Geldstrafe von 15.000 Euro verurteilte. Ein Betrag, der das Ausmaß der Anschuldigungen unterstrich, doch Pocher legte Einspruch ein, da er den Strafbefehl „nicht als angemessen“ ansah. Dies führte schließlich zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Köln.
Der Komiker vor Gericht: „Bitte einfach beenden“
Die Atmosphäre im Kölner Amtsgericht war von einer Mischung aus Anspannung und Pragmatismus geprägt. Oliver Pocher, der sonst auf der Bühne und im Fernsehen die Kontrolle behält, trat vor Gericht sichtlich um eine schnelle Lösung bemüht auf. Sein Wunsch war klar: „Bitte einfach beenden.“
Sein Verteidiger räumte im Namen des Mandanten unmissverständlich ein, wo der Fehler lag. Der Komiker habe die Behauptungen über die angeblich gekauften Interaktionen „bedauerlicherweise nicht ausreichend nachrecherchiert“. Dieses Eingeständnis war der entscheidende Schritt zur Einigung. Es war die Anerkennung, dass die Grenze zur üblen Nachrede überschritten wurde, indem man unwahre, rufschädigende Tatsachenbehauptungen in die Welt setzte, ohne sie vorher gründlich zu prüfen.
Das Gericht und die Staatsanwaltschaft stimmten daraufhin der Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung zu. Dieser Paragraf ermöglicht es, langwierige und unverhältnismäßige Verfahren abzukürzen, wenn der Angeschuldigte bestimmte Auflagen erfüllt. Im Fall Pocher bestand die Auflage darin, die bereits im Strafbefehl geforderte Summe von 15.000 Euro zu zahlen. Allerdings nicht in die Staatskasse, sondern – auf Wunsch des Komikers – an gemeinnützige Einrichtungen.
Pocher kommentierte dies pragmatisch: „Bevor ich 15.000 in die Staatskasse zahle, zahle ich das lieber für einen guten Zweck. Dann haben alle noch zu Weihnachten was davon und dann ist es auch beendet.“ Diese Haltung, die zumindest nach außen hin Milde und soziale Verantwortung demonstrierte, war der Preis für die juristische Entlastung. Denn zahlt Pocher das Geld innerhalb der Frist von drei Monaten, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Der wichtigste juristische Erfolg für den Komiker: Er gilt damit nicht als vorbestraft.
Die juristischen Nachbeben im Zivilprozess

Das Strafverfahren markierte zwar das Ende der strafrechtlichen Konsequenzen, doch die juristischen Auseinandersetzungen zwischen Pocher und Wünsche sind vielschichtig. Parallel dazu hatte Anne Wünsche auf zivilrechtlicher Ebene geklagt, um eine Wiederholung der Behauptungen zu unterbinden.
Zuletzt erzielte die Influencerin in einem Zivilprozess vor dem Hamburger Landgericht einen wichtigen Teilerfolg. Das Gericht stellte fest, dass Oliver Pocher seine Aussagen zu angeblich gekauften Followern und positiven Beiträgen nicht wiederholen darf. Dieses Urteil ist ein klares Zeichen an die Medienlandschaft und Social-Media-Akteure, dass die einmal getroffene Feststellung der Unwahrheit juristisch bindend ist. Sollte Pocher diese Aussagen erneut tätigen, droht ihm ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro – eine finanzielle Drohung, die kaum Spielraum für weitere satirische Angriffe in dieser Sache lässt.
Eine Schadenersatzforderung Wünsches wies das Landgericht jedoch ab. Dies zeigt, dass, obwohl die Behauptungen als unwahr eingestuft wurden und Pocher zur Unterlassung verpflichtet ist, die juristische Beweisführung für einen direkten finanziellen Schaden durch die üble Nachrede komplex ist.
Mehr als ein Promi-Streit: Die Lektion für die „Bildschirmkontrolle“
Der Fall Oliver Pocher gegen Anne Wünsche ist mehr als ein bloßer Promi-Streit. Er ist ein Indikator dafür, wie sich die juristische Landschaft im Zeitalter der Influencer und der viralen Kritik verändert. Oliver Pochers „Bildschirmkontrolle“ wurde von vielen als notwendiges Korrektiv im Social-Media-Dschungel gefeiert. Sie thematisierte die oft mangelnde Transparenz und die Tricks, mit denen Reichweiten manipuliert werden. Doch das Urteil und die Einstellung gegen Auflage verdeutlichen die Verantwortung, die mit großer Reichweite und öffentlicher Kritik einhergeht.
Satire und Kritik haben einen weiten Spielraum in Deutschland, aber sie enden dort, wo unwahre Tatsachenbehauptungen die Reputation und die Lebensgrundlage anderer unzulässig verletzen. Pochers Eingeständnis, die Informationen nicht ausreichend recherchiert zu haben, ist in diesem Kontext ein wichtiges Signal. Es beweist, dass selbst in der schnelllebigen Welt von Instagram und YouTube journalistische Sorgfaltspflicht gilt – auch wenn man sich als Komiker versteht.
Für Anne Wünsche ist die Einstellung des Strafverfahrens zwar kein Schuldeingeständnis im klassischen Sinne, aber eine Form der öffentlichen Richtigstellung und ein juristischer Sieg. Die Forderung der 15.000 Euro und die Unterlassungsverfügung im Zivilverfahren unterstreichen, dass ihr juristischer Kampf erfolgreich war.
Dieser Prozess wird zweifellos als Präzedenzfall in die Geschichte eingehen. Er mahnt Medienschaffende, Komiker und alle, die öffentlich Kritik üben, zur Vorsicht. Der schnelle Klick und die zugespitzte Behauptung können teuer werden – nicht nur finanziell, sondern auch in Bezug auf die eigene Glaubwürdigkeit. Mit 15.000 Euro für den guten Zweck hat Oliver Pocher nun einen Schlussstrich unter das Verfahren gezogen. Die Frage, ob die „Bildschirmkontrolle“ in Zukunft mit der gleichen Schärfe und Vehemenz betrieben werden kann, bleibt jedoch offen. Die Grenze zwischen Satire und übler Nachrede ist teuer definiert worden.
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