„Wir haben ein Problem“: Das dramatische 24-Stunden-Rennen der Luftwaffe in den Indopazifik – und der Moment, als der Stolz der Nation am Boden blieb

Die Weltlage ist angespannter denn je. Seit dem Krieg in der Ukraine hat sich das globale Kräftegleichgewicht verschoben, und die Augen der Welt blicken auf den Indopazifik, eine Region, die Experten als das drohende Konfliktgebiet der kommenden Jahre einstufen. Vor diesem Hintergrund beschloss die deutsche Luftwaffe ein beispielloses Manöver, eine Demonstration der Reichweite und Einsatzfähigkeit, die es so noch nie gegeben hatte: die Operation „Rapid Pacific“. Die Herausforderung: Sechs Eurofighter, vier Transport- und drei Tankflugzeuge sollten in einem 24-Stunden-Ultimatum die gewaltige Distanz von über 12.000 Kilometern von Bayern nach Singapur überwinden. Es war eine Mission, die Logistik, Technik und menschlichen Mut bis an die Belastungsgrenze forderte – und die am Ende eine bittere Wahrheit über die Fragilität selbst der modernsten militärischen Macht enthüllen sollte.

Der Militärflugplatz Neuburg an der Donau, mitten in Bayern, wird zum Zentrum einer globalen Machtprojektion. Hier bereitet sich Kampfpilot Holger, ein erfahrener Eurofighter-Pilot, auf seinen längsten Flug vor. Aus Sicherheitsgründen werden nur die Vornamen der Soldaten genannt, eine Vorsichtsmaßnahme, die seit den jüngsten Konflikten zur neuen Normalität gehört. Holger ist Teil der sogenannten Alarmrotte. Normalerweise ist er in wenigen Minuten bewaffnet in der Luft, wenn ein unbekanntes Flugzeug in den deutschen Luftraum eindringt. Doch heute steht eine andere Art von Ernstfall an. „Lange Rede, kurzer Sinn, wir wollen bitte um 7:50 Uhr die Hupe, um 8 Uhr Take-off“, lautet die kurze, klare Anweisung, die das Startsignal für eine logistische Odyssee gibt.

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Die Psychologie des Acht-Stunden-Flugs und die ultimative Gefahr

Die Vorbereitungen im Cockpit sind routiniert, doch der Druck ist immens. Holger geht mit einer bewaffneten Maschine in die Luft, da er auch während des Trainings in Alarmbereitschaft bleiben muss. Eineinhalb Stunden dauert ein normaler Übungsflug, dann sind die Tanks leer. Doch nach Singapur wird Holger acht Stunden am Stück in seiner Maschine sitzen. Die größte flugtechnische Herausforderung ist die Luftbetankung – ein heikler, choreografierter Vorgang, bei dem in großer Höhe ein schmaler Zapfen in einen kleinen Trichter eingeführt werden muss. „Da kann ich durch einen Fehler am Tanker quasi den ganzen Plan zunichte machen“, erklärt Holger. Der Erfolgsdruck, dass dieser Vorgang, der zehnmal pro Kampfjet nötig sein wird, reibungslos funktioniert, ist dadurch immens. Starke Winde oder Turbulenzen können dazu führen, dass der Korb beschädigt wird und die gesamte Mission in Gefahr gerät . Es ist die wahre Achillesferse der Langstreckenverlegung.

Doch neben der technischen Komplexität kämpfen die Piloten mit einer zutiefst menschlichen Herausforderung: der Notdurft. Ein Eurofighter ist nicht für Langstreckenflüge konzipiert; eine Toilette gibt es schlicht nicht. Bei acht Stunden Flugzeit in eng anliegenden Pilotenanzügen und einem Wasserschutzanzug gibt es nur zwei unbefriedigende Möglichkeiten: entweder der umständliche Umgang mit einer Pipi-Flasche, die durch einen komplizierten Reißverschluss und Gummilaschen erreicht werden muss, oder – die radikale Option – eine Windel. Holger hält wenig von letzterer: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sieben Stunden oder acht Stunden auf dieser oder in dieser Windel zu sitzen viel angenehmer ist.“ Diese Notwendigkeit, körperliche Grundbedürfnisse zu unterdrücken oder auf unbequeme Weise zu lösen, zeigt das Ausmaß der psychischen und physischen Belastung, die diese Mission von den Piloten verlangt.

Logistik gegen Bürokratie: Der Kampf mit Spinneneiern und Schraubenschlüsseln

Die Kampfflugzeuge sind nur ein Teil der Gleichung. Die eigentliche Mammutaufgabe liegt bei den Logistikern, angeführt von Mechaniker Charlie. Die gesamte Übung, die seit über zwei Jahren geplant wird, ist vor allem ein logistischer Kraftakt. Jeder Schraubenschlüssel, jedes Ersatzteil, jeder Computer und sogar die Freizeitausrüstung der 250 Soldaten muss mitgenommen werden – und das alles muss den strengsten internationalen Vorschriften genügen.

Der Grund: Nach Singapur geht es weiter zu einem großen Manöver in Australien. Und dort achtet man penibel darauf, dass keine fremden Tiere oder Stoffe ins Land kommen. Charlie und sein Team erleben dies am eigenen Leib, als ein australischer Kontrolleur jeden Container akribisch unter die Lupe nimmt. Die Angst vor Gras, Stroh oder gar Spinneneiern ist real. Und tatsächlich: Es werden Spinneneier gefunden. Obwohl der Kontrolleur gnädig ist und keine Nacharbeit anordnet, zeigt dieser Moment die absurd anmutende Komplexität, in der sich moderne Militärmissionen bewegen: Der hochmoderne Eurofighter mag im Luftkampf überlegen sein, doch die gesamte Mission hängt von der Sauberkeit einer Kiste ab.

Charlies größte Sorge ist der Transport der Ersatzteile: Sie müssen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Die Mechaniker müssen einen Tag vor den Eurofightern nach Abu Dhabi fliegen, um dort alles für den kurzen Zwischenstopp vorzubereiten. Die Hitzebedingungen der Emirate, ein fast unbekanntes Flugfeld und ein Zeitfenster von nur sechs Stunden für Tanken, Reparaturen und Pilotentausch stellen eine Zerreißprobe dar. Charlie und sein Team wissen: Sie werden die Nacht durchmachen.

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Der bittere Ausfall in der Wüstennacht

Der Countdown läuft. Um 1:00 Uhr nachts landen die Eurofighter pünktlich in Abu Dhabi. Die Mechaniker legen sofort los. Sie müssen die Flugzeuge warten, bevor Holger und die anderen Piloten die zweite Etappe nach Singapur antreten können. Zunächst scheint alles besser als erwartet. Doch ausgerechnet der symbolträchtigste Jet, der neu folierte „Air Ambassador“, das sichtbare Zeichen der deutschen Machtprojektion, bereitet Probleme.

Bei einem Testlauf schlägt die Technik unbarmherzig zu: Ein Hydrauliksensor versagt. Dieser Fehler ist flugkritisch. Die Mechaniker versuchen, das Problem zu beheben, doch die Zeit drängt, und es sind nur noch gut vier Stunden bis zum geplanten Weiterflug. Das Schlimmste tritt ein: Das benötigte Ersatzteil ist nicht im Transportflieger dabei.

Für Charlie, der monatelang auf diesen Moment hingearbeitet hat, ist es eine herzzerreißende Situation. „Aufgrund dessen wusste ich: Jetzt muss ich an meinen Action-Vorgesetzten melden, wir haben ein Problem.“ Das Geständnis der technischen Verwundbarkeit ist öffentlich, ungeschönt und schmerzhaft. Der symbolische Führer der Mission bleibt am Boden – ausgerechnet der Jet, den Pilot Holger übernehmen sollte.

Holger selbst nimmt die Nachricht mit professioneller Gelassenheit, aber spürbarem Frust auf: „Ich habe schon gestern Nacht die Nachricht bekommen, dass es ein Problem geben könnte, und das hat sich jetzt leider als wahr herausgestellt. Aber auf der anderen Seite sage ich auch: Safety First. Also ich bin lieber noch mal hier, als dass irgendwie ein Menschenleben gefährdet wird.“ Seine Reaktion ist ein Akt der Verantwortung, aber die Enttäuschung des Wartungsteams ist groß: „Es ist halt Technik. Manchmal ist der Wurm drin und kann keiner was dafür.

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Ein Erfolg mit Makel: Die Botschaft des Indopazifik-Manövers

Trotz des schmerzhaften Ausfalls in Abu Dhabi muss die Mission weitergehen. Die verbleibenden fünf Eurofighter starten pünktlich in die zweite, kritische Phase. Die Logistiker fliegen mit dem Transportflieger hinterher. Während die Kampfjets in der Luft mehrmals den heiklen Betankungsvorgang durchführen, kämpfen sie sich weiter ostwärts.

Das Ergebnis ist knapp, aber erfolgreich: Nach 20 Stunden und 22 Minuten erreichen die fünf Eurofighter Singapur. Sie haben die 24-Stunden-Challenge geschafft, dreieinhalb Stunden vor Ablauf des Ultimatums. Doch die Freude ist getrübt. Die Mission wurde erfüllt, aber nicht reibungslos. Der Preis war hoch: Die Operation war teurer und aufwendiger als geplant, und ein entscheidendes Flugzeug blieb zurück.

Die Verlegung ist geschafft, doch die Mängel sind offensichtlich. Die Botschaft, die die Bundeswehr in den Indopazifik sendet, ist komplex: Deutschland ist in der Lage, seine militärische Präsenz in die Ferne zu projizieren, in eine Region, in der China zunehmend aggressiver auftritt und die Spannungen um Taiwan zunehmen. Doch diese Machtprojektion ist nicht die eines nahtlosen, perfekt geölten Systems. Sie ist fragil, menschlich und anfällig für das Versagen eines einzelnen Sensors in der Wüstennacht.

Die Story von Holger, Charlie und dem „Air Ambassador“ ist letztendlich die Geschichte der modernen Bundeswehr: Sie ist hochmodern in ihrer Technologie, aber menschlich in ihrem Kampf. Der Erfolg der Mission hing nicht nur von den Piloten ab, die Stunden ohne Pause im Cockpit verbrachten, sondern auch von den Logistikern, die nachts in der Hitze Fehler beheben mussten. Die größte Lektion dieser dramatischen 24 Stunden ist, dass hinter der militärischen Stärke eine enorme logistische Anstrengung und menschliche Belastbarkeit steht. Nur fünf von sechs Jets kamen pünktlich an, aber die Deutsche Luftwaffe hat bewiesen, dass sie im Ernstfall handlungsfähig ist – auch wenn der Ernstfall manchmal bedeutet, zuzugeben: „Wir haben ein Problem.“ Die Eurofighter fliegen nun weiter nach Australien, um mit Verbündeten ein großes Manöver zu fliegen. Doch die Erinnerung an den in Abu Dhabi zurückgelassenen Jet wird als Mahnung bleiben, dass der Weg zur globalen Machtprojektion steinig ist.